Ode an das Schulpferd

Die meisten von uns machen ihre ersten Reiterfahrungen auf Schulpferden. Viele Reiter nehmen das Dasein von Schulpferden als selbstverständlich hin. Wenn sie für eine Reitstunde bezahlen, dann erwarten sie nicht nur, dass sie getragen werden und gemeinsam lernen, sie möchten auch, dass die Pferde sie mögen, sie mit ihnen Spaß haben und doch bitte bereit sind, alles für sie zu tun.

 

Was für ein Herausforderung für ein Pferd! Wie geht es ihm eigentlich damit? Und hat es vielleicht auch Wünsche und Erwartungen?

Zunächst einmal möchte ich mich bei allen Schulpferden bedanken: Bei denen, die ich selbst geritten bin, bei denen, die in meinem Unterricht mitgegangen sind, bei denen, die ich nicht selbst kenne, aber mir ansatzweise vorstellen kann, was sie jeden Tag erleben. Ihr macht einen so großartigen Job! Eigentlich müsste man euch jeden Tag mehrere Stunden lang kuscheln, massieren, mit dem besten Futter verwöhnen und euch ständig sagen, dass ihr unglaublich großherzig und fantastisch seid!

 

Meine Ode an euch:

 

Mein liebes Schulpferd,

 

ich freue mich jedes Mal auf dich. Du stehst im Stall oder auf der Weide, spitzt die Ohren, wenn ich komme und lässt es zu, dass ich dich einfange und begrenze. Du zuckst nicht mal mit der Wimper, wenn ich etwas unbeholfen das Halfter über deine Ohren und Augen streife, auch wenn es sich für dich manchmal echt unangenehm anfühlt. Du folgst mir liebevoll und selbstverständlich über den Hof zum Putzplatz, lässt mich dein Fell, deine Mähne und Schweif bürsten, obwohl ich eigentlich gar weiß, was dir wirklich gefällt. Ich nehme mir auch meist gar nicht die Zeit auszuprobieren, ob du weiche oder harte Bürsten lieber magst oder ob du eigentlich eine Lieblingsstelle hast, die du gerne putzen lässt. Wie selbstverständlich darf ich deine Hufe hochheben, obwohl du dabei eine sichere Position verlässt?!

 

Beim Trensen und Satteln zeigst du mir manchmal unmissverständlich, was dir unangenehm ist. Aber wenn ich darüber hinweg gehe, nimmst du es einfach hin und lässt mich machen. Dabei wäre es für mich gar nicht so aufwendig, es dir hierbei viel netter zu machen.

 

In der Halle und auf dem Reitplatz lässt du mich in Ruhe aufsteigen, du versuchst die Balance zu halten, während ich mich manchmal zu schwungvoll in deinen Sattel fallen lasse. Auch da zuckst du wieder nicht einmal mit der Wimper, auch wenn dieser Ruck in deinen Rücken nicht ganz schmerzfrei war. Nun sitze ich auf dir und drücke meine Schenkel an deinen Körper. Du spürst meine Hände über das Gebiss und die Zügel in deinem Maul.

Ab jetzt sage ich dir, was wir machen und wohin uns der Weg führt. Und du nimmst das einfach an! Deine Ohren wenden sich zu mir. Du gehst los und achtest genau darauf, was gleich noch alles kommt. Du spürst, dass ich nicht richtig im Gleichgewicht bin und gleichst das durch deine Bewegungen aus. Du merkst, dass ich teils unbeholfen und auch widersprüchlich in meinen Signalen bin und trotzdem versuchst du alles, um mich bestmöglichst zu verstehen und alles richtig zu machen.

 

Du wünschst dir zwischendurch immer wieder mal eine Pause, aber ich gebe sie dir nicht so schnell. Erstmal musst du die Lektion mindestens einmal richtig machen, ach ne, zweimal ist besser, wobei beim dritten Mal hast du es dir dann bestimmt richtig gemerkt. Du schnaubst zwischendurch ab - eine Geste, mir zu zeigen, dass es ganz schön anstrengend ist. Dir würde es gut tun, mal abzuschnauben, um in Ruhe zu entspannen, aber du hältst weiterhin durch.

 

Doch dann kommt sie endlich, die lang ersehnte Pause. Die Pause zwischen mir und dem nächsten Reiter. Ich tätschel dir liebevoll den Hals und steige ab. Ich bringe dich zurück in den Stall oder auf die Weide und habe noch eine Mohrrübe für dich als Dankeschön. Als Dankeschön, dass du mich getragen hast, mir zugehört hast, du mir eine schöne, wenn auch anstrengende Stunde geschenkt hast.

 

Huch! Doch was habe ich für dich eigentlich getan!? Eigentlich gar nichts und das möchte ich ändern!

 

Ich möchte für dich nicht nur ein Reiter sein, ich möchte zu einem Freund von dir werden. Ich möchte dir genauso freundlich begegnen, wie du mir. Ich möchte dich genau anschauen und dir zuhören, was du mir mitzuteilen hast. Ich möchte auf deine Bedürfnisse eingehen, mir die Zeit nehmen zu erkennen, was dir gefällt und was nicht. Ich möchte auch nicht mehr einfach Dinge umzusetzen, obwohl du die noch gar nicht kannst, sie dir Angst machen oder einfach nicht gut tun.

 

Ich möchte für dich da sein, so wie du für mich! Ich möchte für dich ein besserer Pferdemensch sein! Mein größter Wunsch ist es, deine Wünsche zu erkennen und auf sie einzugehen. Ich wünsche mir, dass wir so gemeinsam noch ganz viele schöne Stunden miteinander verbringen! Es ist schön, dass es dich gibt.